Aktuelle Infos

Philosophischer, Ethnischer und Religiöser hintergrund vom SYSTEMA

 

Was überrascht und fasziniert diejenigen, die die Russische Kampfkunst zum ersten Mal bei Michail Ryabko erleben? Ihre Effektivität? Ja. Ihre Vielseitigkeit? Auch.

Aber in erster Linie ist es die lockere, entspannte Atmosphäre, die im Training herrscht, die netten, freundlichen Menschen, die diese Kampfkunst ausüben, und die besondere, friedliche Art der Kampfkunst selbst. Im Training wird oft und viel gelacht, jeder Neuling wird sofort in die Trainingsgemeinschaft aufgenommen, die Hilfsbereitschaft der fortgeschrittenen Studenten ist unglaublich und doch ehrlich zugleich. Die Trainingsteilnehmer haben Spaß an lockeren, natürlichen Bewegungen, harten, spannenden Kämpfen und unterhaltsamen, humorvollen Gesprächen vor und nach dem Unterricht. Bei jeder Übung merkt man, wie ausgeglichen, ruhig und kontrolliert die Leute sind. Und doch spürt man die enorme geistige Kraft und freie, entfesselte Dynamik in jeder kleinsten Bewegung. Es fasziniert einen die Natürlichkeit, die Einfachheit und damit auch zugleich die Komplexität der Art sich zu bewegen.

Woher kommt den diese Kraft und Ausstrahlung der Russischen Kampfkunst? Was sind die Wurzel der besonderen inneren Ruhe und Gelassenheit, die diese Kampfkunst ihren Anhängern verleiht? Was ist der geistige Weg, den das Russische System seit Jahrhunderten geht?

Die Basis der Russischen Kampfkunst ist das Christentum, denn die Ausbildung der Krieger im mittelalterlichen Russland war immer mit der Russischen Orthodoxen Kirche sehr eng verbunden. Seit dem IX Jh.n.Chr. wurden in Russland Klöster gebaut. In die Klöster gingen viele erfahrene Krieger, die nicht mehr kämpfen wollten oder konnten, und die den Rest ihres Lebens in Gebeten verbringen wollten. Natürlich besaßen sie ein wertvolles Wissen und eine reiche Erfahrung, die sie dann auch an jüngere Generationen der Krieger gaben. Wie sah denn ihre mentale Ausbildung aus?

Im Mittelalter wurden Kinder der Krieger zu Kriegern ausgebildet. Als erstes lernten sie, wie man betet. Sie lasen Evangelium. Und sie lernten, wie man richtig atmet. Für jedes Gebet wurde die passende Atmung trainiert. Sie sangen Psalmen. Und trainierten dabei wieder ihre Atmung. Natürlich lernten sie auch Geschichten über die besten Krieger ihrer Zeit und über ihre Vorfahren. Bevor die Kinder überhaupt mit der Kampfausbildung anfingen, lernten sie die Furcht vor Gott, die Liebe zum Vaterland, die Treue zum Fürsten und Tugenden, wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Nächstenliebe, Mut, Entschlossenheit... Die Kirche war ihr Zuhause, die Priester waren ihre Wegweiser und Gebete waren ihre wichtigsten Waffen.

Die heutige Ausbildung in der Russischen Kampfkunst läuft natürlich anders ab, da die ganze Kampfkunst sich den Gegebenheiten der modernen Gesellschaft anpasste. Aber auch heute hält sich die Russische Kampfkunst an die wesentlichen Traditionen und bringt ihren Anhängern die Tugenden und Eigenschaften der Krieger von früher bei. Die Philosophie dabei ist ganz einfach: Es wird immer mehr gegeben, als genommen. Man erwartet nichts von einem anderen Menschen. Man gibt ihm einfach das, worum er bittet, wenn man meint, dass es genau das Richtige für ihn ist. Und man zwingt ihn nicht, es zu nehmen. Es ist, wie mit dem Brot: Ich habe ein Brotlaib, und ich kann es Dir geben; Du musst aber entscheiden, ob und wie viel davon Du nimmst.

Die Kampfausbildung selbst basiert auch auf Prinzipien, die sich seit Generationen bewährten, und die Michail Ryabko heute noch an seine Studenten weitergibt.

Hier sind einige von ihnen:

- Vertraue sich selbst, vertraue dem anderen.

- Beweg Dich natürlich.

- Drück nicht.

- Übereil nicht.

- Geh in die Leere.

- Geh nicht drauflos, bleib nur auf der Berührungslinie.

- Schwing nicht unsinnig mit den Armen, klammere Dich nicht fest.

- Dräng nicht rücksichtslos vorwärts.

- Werd nicht müde, such den Komfort in der Müdigkeit.

- Fließ von der Spannung ab.

- Setz Dich nicht unter Druck, setz den anderen nicht unter Druck, lass Dich nicht unter Druck setzen, lass den anderen sich nicht unter Druck setzen.

- Es gibt keinen Unterschied zwischen einem Schlag und einem Block.

- Eine Bewegung muss wuchtig, wie eine Lokomotive, und leicht, wie der Wind, sein.

- Man soll einem Menschen eine Chance geben.

- Jemanden zu töten, ist leicht; jemandem etwas beizubringen, ist schwer.

- Trag die Verantwortung für Dich selbst und für Deine Nächsten.

- Verliere nicht, das ist der Schlüssel zum Sieg.

- Die Geduld reicht immer nicht aus.

- Schläge laden einen auf.

- Ich kämpfe nicht, ich lebe so.

design by Rene Kalbitz © 2011 Systema Ost e.V.